Stellungnahme zur Fristenlösung
Auszug aus der Zeitschrift vom April 2002
Es wird in diesen Tagen im Zusammenhang mit der Fristenlösung viel vom Recht des Einzelnen gegenüber der Gesamtheit gesprochen. Ich möchte hier auf das Recht der Gesamtheit gegenüber jedem Einzelnen hinweisen. Wir sind alle der Gesamtheit verpflichtet. Das wird deutlich, wenn wir daran denken, dass jeder und jede nicht aus sich selber, sondern durch andere Menschen gezeugt und geboren worden ist. Unser Leben ist also unter allen Umständen mit demjenigen anderer zusammenhängend und bleibt das bis ans Ende. So hat die Gesamtheit auch ein Anrecht an uns. Dieser Faktor wurde in der Diskussion um die Fristenlösung fast ganz vergessen und soll hier erörtert werden.
Begründung für das andere Recht
Zum Ersten: Die Abtreibung eines Kindes darf nicht nur von der Mutter aus gesehen beantwortet werden. Es ist ein Kind vorhanden, wenn auch erst im Anfangsstadium. Es muss das Anliegen dieses Kindes namhaft beachtet werden. Schon manches ungewollte Kind ist später ein wertvoller Mensch geworden. Warum wird dieser bedeutende Faktor in der Diskussion um die Fristenlösung so ganz vergessen?
Zum Zweiten: Es geht um ein neues Leben. Das Leben ist immer ein Wunder aus dem grossen Geheimnis. Das Recht auf Leben kommt der Menschheit zu. Sie will und soll leben. Diesem Grundrecht untersteht auch das Recht jedes Einzelnen. Es ist deshalb nicht die Sache eines einzelnen Menschen, über die Abtreibung des werdenden Lebens zu verfügen. Es ist unabdingbar, dass kompetente Mitmenschen ihm dabei zur Seite stehen und ihn beraten. Diese Beratung ist keine Quälerei, sondern ein menschlicher Beistand im Blick auf den umfassenden Zusammenhang des Werdens.
Zum Dritten: Jede menschliche Handlung hat ihre Auswirkungen auf die Gesamtheit, gute oder schlechte. Eine Freigabe der Abtreibung, auch wenn sie befristet ist, bedeutet eine Handlung, die das Menschenrecht ohne ernsthaftes Gutachten einfach übertreten lässt. Das hat unweigerlich Signalwirkung auf das ganze Volk und bleibt nicht Sache weniger Menschen. Schon jetzt setzen sich ganze Gruppen für die Freigabe der aktiven Sterbehilfe ein. Auch wird die Auslöschung des «lebensunwerten Lebens», wie es Hitler nannte, wieder diskutiert. Hier würden Schleusen geöffnet, die zum Schaden des Volkes und in weiter Sicht zu seinem Untergang führen. Dürfen wir dazu beitragen?
Zum Vierten: Nicht nur das Kind, auch die werdende Mutter braucht Schutz und Beistand, wenn sie das Kind zur Welt bringen will. Mit der Fristenlösung ist sie sich selber überlassen und dem Druck zur Abtreibung ausgesetzt. Die Alimentenzahlung und wer weiss vielleicht einmal eine allfällige Invaliditätsrente werden vermehrt angefochten, wenn sie das Kind hätte abtreiben können. Dies geht ja so leicht, heisst es. Man erspart sich unangenehme Kosten. Aber die Rechnung wird später folgen. Und sie wird für den Einzelnen wie für das Volk massiver sein, als wir ahnen. Denken wir also in dieser Frage an die Mütter, aber auch an die Kinder und an unser Volk! Es wird sich lohnen.
G. M.